Deutliche Worte zur Krise im Gesundheitswesen
Am 18. Juli 2024 trafen Dr. Frank Hummel und Dr. Zsolt Zrinyi in ihrer Funktion als Vorsitzende des Zukunft Zahnärzte Bayern e.V. (ZZB) Herrn Thomas Zöller, Mitglied des Landtages und Patienten- und Pflegebeauftragter der Bayerischen Staatsregierung sowie Frau Dr. Gabriela Ziegler, Stellvertretende Leiterin der Geschäftsstelle im Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention für einen informellen Austausch im Bayerischen Landtag.
Zur Verdeutlichung der allgemeinen Situation im ambulanten Sektor des Gesundheitswesens erläuterten Dr. Hummel und Dr. Zrinyi die „alarmierenden Ergebnisse“ (Nachzulesen unter kzbv.de) der repräsentativen Online-Befragung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) in Zusammenarbeit mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV). Es zeigte sich, dass es bezüglich der berufspolitischen Kernthemen noch kein fundiertes Problembewusstsein gab. Daher ist positiv hervorzuheben, dass sich Herr Zöller und Frau Dr. Ziegler viel Zeit nahmen, um sich detailliert aus erster Hand zu informieren.
Insbesondere das Praxissterben in Folge der sich verschlechternden Situation durch Bürokratieirrsinn, Fachkräftemangel, steigenden wirtschaftlichen Druck, leidige Themen wie Lauterbachs Budgetierungen sowie die mangelnde Niederlassungsmotivation junger Kolleginnen und Kollegen fand das Interesse der Politiker. Es konnte ein Verständnis für die Gefahr einer Unterversorgung im ambulanten zahnmedizinischen Bereich geweckt werden.
Die sich verändernde Demografie betrifft die Zahnmedizin wie alle anderen Bereiche gleichermaßen. Immer mehr Kolleginnen und Kollegen der Baby-Boomer-Generation gehen in Rente oder wollen vorzeitig aussteigen, weil die Umstände mit immer mehr Auflagen, Zwängen und Vorschriften nicht mehr tragbar sind. Da jedoch 80% der jungen Kolleginnen und Kollegen aus gleichen Gründen und wegen der wirtschaftlich schlechten Planbarkeit kein Interesse an einer Niederlassung haben, droht ein flächendeckendes Praxissterben mit der Folge einer sich verschärfenden Unterversorgung. Dieser Zusammenhang war den Politikern offenkundig nicht bewusst.
Gleichzeitig machten Dr. Hummel und Dr. Zrinyi auf die Gefahren der von Lauterbach indirekt geförderten Investoren-Medizin aufmerksam. Ambulatorien und MVZ können die bewährte ambulante Versorgung mit einzelnen Praxen weder in qualitativer noch in wirtschaftlicher Hinsicht ersetzen. Es ist ein signifikanter Unterschied, ob der Betreiber einer medizinischen Einrichtung eine Ärztin, ein Arzt oder ein Geschäftsführer ist. Den Medizinern geht es im Kern um die Patienten, dem Geschäftsführer um Zahlen und die Wirtschaftlichkeit. Sobald diese nicht mehr gegeben ist, werden zuvor aufgekaufte Praxen kurzerhand geschlossen. Ein System der Heuschrecken im Gesundheitswesen verschärft das Praxissterben, die Unterversorgung und bewirkt das Gegenteil dessen, was vordergründig immer argumentiert wird: dass Ambulatorien im Vergleich zu Einzelpraxen wirtschaftlicher seien – sie sind es nicht.
Ein weiteres zentrales Thema war die Bürokratie. Mit Einführung des QM vor etwa 20 Jahren begann eine beispiellose Schwemme bürokratischer Gängelungen des ambulanten Systems. Es ist mittlerweile üblich, bis zu 50% der Arbeitszeit mit der Erfüllung von Vorschriften und Auflagen zu verbringen – Zeit, die am Patienten fehlt und die Unterversorgung ebenso katalysiert. Die Sinnlosigkeit vieler bürokratischer Auflagen konnte anhand von Beispielen aufgezeigt werden. Fassungslosigkeit und Kopfschütteln waren die Reaktion.
Gleichzeitig wurden durch den ZZB-Vorstand konkrete Vorschläge gemacht, um den Bürokratieabbau voranzubringen. In erster Linie sollten als erste Maßnahmen Fristen verlängert werden und eine Unterscheidung zwischen Bestandspersonal und neuem Personal eingeführt werden. Mitarbeitern, die seit Jahren im Betrieb sind, muss man z.B. nicht jährlich erläutern, wie die Händedesinfektion oder Fingernägel auszusehen haben. Der kostenintensive und in weiten Teilen unsinnige E-Check sollte generell nur alle 5 Jahre erfolgen. Neue Geräte unterliegen ohnehin der CE-Zertifizierung, der E-Check ist hierfür nicht erforderlich.
Ein weiteres Thema war die ePA. Analog zur bisherigen Digitalisierung des Gesundheitswesens wird allein den Praxen die Umsetzung des politischen Willens aufgebürdet. Arbeitszeit und Kosten eines schlecht vorbereiteten und noch schlechter umgesetzten Systems bleiben an den Leistungserbringern hängen. Der bürokratische Wahnsinn der anstehenden ePA ist schon jetzt berufspolitischer Sprengstoff. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass es keineswegs eine Ablehnung der Digitalisierung des Gesundheitswesens gibt. Die stümperhafte Zwangsumsetzung sorgt indessen für erheblichen Verdruss. Es ist zu erwarten, dass dies mit der ePA verschärft wird.
Herr Zöller und Frau Dr. Ziegler zeigten am Ende des Gespräches großes Verständnis für diese Themen und gaben an, einen anderen, problembewussteren Blick auf die Situation im Gesundheitswesen erlangt zu haben. Frau Dr. Ziegler protokollierte alles fleißig und ausführlich mit. Wie zu erwarten war, konnten keine Versprechungen gemacht werden, Herr Zöller sagte jedoch verbindlich zu, weiter in Kontakt und im Austausch bleiben zu wollen. Auch versprach er, die Vorschläge in die von der Staatsregierung gegründete Enquete-Kommission für Bürokratie-Abbau einzubringen.
Die deutlichen Worte des ZZB-Vorstands zur Krise im Gesundheitswesen fanden ein offenes Ohr – wir bleiben weiter dran.
Herzlichst
Der Vorstand des ZZB